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Ein FSJ ohne finanzielle Sorgen

von Pia Monz (FSJ-P in Düsseldorf, Jahrgang 2024/25)


Überspitzt formuliert gibt es eine Frage, mit der sich die finanzielle Situation von Freiwilligendienstleistenden gut einschätzen lässt: Wohnst du noch zuhause?

Denn: wer bei den Eltern wohnt, hat drastisch niedrigere Kosten zu stemmen. Und selbst die Menschen aus meinem Bekanntenkreis, die für ihr FSJ umgezogen sind, werden noch finanziell von ihren Eltern unterstützt oder bekommen die Unterkunft von der Einsatzstelle gestellt.

Eine kleine Umfrage (absolut nicht repräsentativ – habt ihr schon „FSJ – eine Klassensache?“ gelesen?) unter befreundeten Freiwilligendienstleistenden zeigt: unsere Einkommen unterscheiden sich extrem. Wie viel Geld FWDler*innen bekommen, hängt vom Träger ab, der die Höhe von Taschengeld und Verpflegungszuschuss (es handelt sich rechtlich gesehen nicht um Lohn) festlegt – und von den Einsatzstellen, die je nach eigener Finanzsituation noch Zuschläge für Mobilität oder Wohnkosten zahlen dürfen/können. In Summe ist zwischen 400 und 750 Euro fast alles dabei. 

Dabei fallen mehrere Dinge negativ auf. Zum Einen ist das Taschengeld nach oben gedeckelt – auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (willkommen in der deutschen Bürokratie…), also aktuell 644 € monatlich. Eine Untergrenze gibt es frappierenderweise nicht! Ohne den gesetzlichen Mindestlohn zu fordern Außerdem ignoriert die Höhe des Taschengeldes die Lebenshaltungskosten. Ein nicht zu vernachlässigender Teil wird in der Regel fürs Deutschlandticket ausgegeben. Wohnungen lassen sich davon erst recht nicht finanzieren – ein durchschnittliches WG-Zimmer in Düsseldorf kostet z.B. 600 €. Das führt oft dazu, dass junge Menschen – wenn sie (sich) dann einen FWD leisten können – auf die Unterstützung ihrer Eltern (das Kindergeld wird z.B. weiter gezahlt) angewiesen sind, täglich über zwei Stunden pendeln oder zusätzlich zum Vollzeit-FWD arbeiten gehen müssen. Freizeit haben, Geld fürs Studium sparen, Urlaub machen? Du musst dich entscheiden.


Das Traurige daran ist: eigentlich wäre das Problem wohl recht leicht lösbar – mit Geld eben. Allen rund 90.000 Freiwilligen ein Taschengeld in der BAFöG-Höhe von aktuell 992 € auszuzahlen, würde insgesamt ca. 1,1 Milliarden Euro kosten. Im Vergleich zum Gesamthaushalt sind das Peanuts, es handelt sich also um eine politische Entscheidung, was Engagement dem Staat wert ist. Und meine persönliche Einschätzung hier ist leider: nicht genug. Erst 2023 mussten drastische Kürzungen im FWD-Bereich durch eine Petition aufgehalten werden. 


Dahinter steckt ein strukturelles Problem: Wie viele Freiwillige in ihrem Arbeitsalltag sicherlich merken, ist es generell nicht besonders gut um die Finanzierung von sozialen Einrichtungen und demokratischen Non-Profit-Organisationen bestellt. Engagement eignet sich immer gut für Sonntagsreden – aber ich habe zunehmend das Gefühl, dass dieser Einsatz für selbstverständlich gehalten und daher nicht ausreichend wertgeschätzt und strukturell verankert wird. 

Das führt wiederum dazu, dass die Träger der Freiwilligendienste das Taschengeld nicht von selbst erhöhen können, weil dann die Kosten für die Einsatzstellen zu hoch und sowieso schon knappe Plätze wegfallen würden. Obwohl es sich bei den FWD um eine pädagogische und Weiterbildungsmaßnahme handeln soll, die nicht den klassischen Arbeitsmarkt-Logiken folgt, sind hier wirtschaftliche Zwänge und Kosten-Nutzen-Abwägungen am Werk. 

Mein Traum wäre also ein Freiwilligendienst ohne finanzielle Sorgen – aber nicht nur für die Freiwilligen selbst, sondern auch für die Einsatzstellen und Träger. Wenn der Einsatz für andere, für die Gesellschaft, für die Demokratie das nicht wert ist, was wäre es dann!?

ree

 
 
 

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