Warum ich mein FSJ politisch sehe
- Joana Zimmermann

- 23. Juni
- 3 Min. Lesezeit
von Pia Monz
- Internationale Jugendgemeinschaftsdienste für Freiwilligendiesnste (ijgd)
Als mich die zuständige Redakteurin dieses Blogs gefragt hat, ob ich nicht einen Beitrag dazu schreiben könnte, warum ich mein FSJ politisch sehe, habe ich sofort zugesagt. Mein erster Impuls war: das passt doch perfekt, denn ich leiste keinen „klassischen“ Freiwilligendienst (FWD) im sozialen Bereich, sondern mache eine Sonderform mit dem vollmundigen Namen „Freiwilliges Soziales Jahr im politischen Leben und der Demokratie“, kurz: FSJ-P.
Vielleicht fragt ihr euch gerade: Was bitte machst du? Das FSJ-P ist laut offizieller Statistik tatsächlich eher eine Nischenangelegenheit – in NRW machen wir gerade mal 0,5 % der FWDler*innen aus. Wie bin ich also dazu gekommen? Inmitten von Rechtsruck, Populismus und Co. hatte ich im Herbst 2023 das Gefühl: Ich kann doch nicht immer nur über Politik aufregen, sondern muss eigentlich selbst etwas machen! Da ich sowieso nicht direkt an die Uni wollte, habe ich nach Praktika oder ähnlichem im politischen Betrieb gesucht – und wurde irgendwann auf das FSJ-P gestoßen. Eine bessere Möglichkeit, mein politisches Interesse in die Tat umzusetzen und gleichzeitig etwas Sinnvolles zu tun und zu lernen, konnte ich mir kaum vorstellen.
Einige Monate später hatte ich dann endlich einen Platz in einer kleinen NGO – nicht ganz die große Politik, aber eine Gelegenheit, verschiedene Wege von politischer Partizipation und Mitgestaltung kennenzulernen. Gremienarbeit, Zeitungskommentare lesen und Diskussionen rund um lokale und internationale Politik gehören standardmäßig zum Arbeitsalltag in der Einsatzstelle dazu. Auch meine Seminare mit ca. 25 weiteren FSJ-Pler*innen drehen sich selbstgewählt meistens um aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. (Wenn wir schon dabei sind: übermüdete Debatte über Außenpolitik sind durchaus empfehlenswert – und ein anderes Level von wild.)
Der enge Kontakt mit anderen interessierten und engagierten jungen Menschen – egal, ob auf den Seminaren oder in den anderen Formaten – trägt auch dazu bei, dass ich mich persönlich anders und intensiver mit politischen Entwicklungen auseinandersetze und leichter aus meiner Bubble herauskomme, weil meine Mit-Freiwilligen (bei allen Ähnlichkeiten und oft auch Privilegien) ganz verschiedene Backgrounds mitbringen. Ich bilde mir ein, dass ich durch diese unterschiedlichen Wahrnehmungen einen realistischeren Blick auf viele gesellschaftliche Herausforderungen bekomme. Außerdem erleben wir jetzt quasi live und in Farbe Dinge (Bürokratie, schwierige Arbeitsbedingungen, Bürokratie und erwähnte ich Bürokratie?) mit, die ich in der Schule nur als theoretische, abstrakte Konstrukte am Rande kennengelernt habe.
Im Laufe des Jahres habe ich aber begriffen, dass nicht nur die Inhalte meines FSJ im Speziellen politisch sind – das gesamte Konstrukt der Freiwilligendienste ist es!
Die ersten Erfahrungen damit habe ich beim „Beteiligungsforum“ der ijgd Bonn gemacht, einem Partizipationsformat meines Trägers. Wir wurden eingeladen, Verbesserungsvorschläge zur Organisation und Begleitung der Freiwilligendienste zu machen. Dabei gab es eine Menge Informationen zu den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, vor allem aber haben wir die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Freiwilligen Aktionen umzusetzen. Rund um die Bundestagswahl haben wir z.B. die Insta-Kanäle für politische Aufklärung genutzt. Forderungen nach einer besseren Vergütung und Vernetzung stehen ebenfalls auf der Agenda – allerdings mahlen diese Mühlen doch recht langsam und scheitern teilweise an anderen Zwängen wie Geld, Kapazitäten oder dem Neutralitätsgebot.
Konkretere politische Arbeit kann ich bei #FWDstärken betreiben – eine Selbstorganisation von Freiwilligen aus ganz Deutschland, die von Hauptamtlichen unterstützt wird. Aus dem kleinen, aber feinen Team und unseren recht weitgehenden Gestaltungsmöglichkeiten (Gestaltung ist hier wörtlich zu verstehen, ich bin die Co-Koordinatorin des @fwdstaerken Insta-Accounts) ziehe ich eine Menge Motivation. Klarer Vorteil ist: wir haben mehr Freiheiten und können uns noch offener zum politischen Tagesgeschehen äußern. Zur Pflichtdienst-Debatte sollten schließlich auch die potenziell Betroffenen ihre zwei Cents sagen können! Außerdem lerne ich, wie wichtig Netzwerke und „Banden bilden“ ist – wir möchten unsere Meinungen schließlich nicht nur teilen, sondern auch wirklich gehört und berücksichtigt wissen. Gemeinsam sind wir stark!
Damit komme ich auch zur nächsten – und vermutlich größten – Ebene. Freiwilligendienste sind nicht nur eine spannende persönliche Erfahrung und eine Bereicherung für die einzelnen Einsatzstellen. Sie wirken in die gesamte Gesellschaft hinein. Freiwilligendienste ermöglichen einen Austausch zwischen Generationen – und bestimmen dadurch mit, wie junge Menschen öffentlich wahrgenommen werden. FWDler*innen zeigen tagtäglich: die Gen Z ist nicht faul oder antisozial. Wir wollen uns ja einbringen – macht es uns doch nur etwas leichter und attraktiver!
Studien zeigen auch immer wieder, dass FWDler*innen ihrem Einsatzgebiet verbunden bleiben und sich langfristig engagieren – vor allem in so wichtigen gesellschaftlichen Bereichen wie Pflege und Bildung. Der Dienst muss nicht explizit politisch sein, um relevante und strittige Bereiche zu behandeln. Schlussendlich: „Am Ende wird die Geschichte uns nicht an dem, was wir sagen, messen, sondern an dem, was wir tun“, hat Kofi Annan mal gesagt. Demokratien brauchen Menschen, die begeistert mitmachen – Freiwilligendienste machen das im Kleinen vor. DAS ist der wohl wichtigste Grund, warum Freiwilligendienste so wichtig für die Gesellschaft und folglich so politisch sind.




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